Joseph Weizenbaum (1923
2008) war ein deutsch- US-amerikanischer Informatiker sowie
Wissenschafts- und Gesellschaftskritiker. Von 1963 bis zur Emeritierung lehrte
er als Professor am MIT.
Joseph Weizenbaum besuchte das
Realgymnasium in Berlin, wurde aber Mitte der 1930er Jahre auf die
jüdische Knabenschule verwiesen.
Die jüdische Familie emigrierte 1936
von Bremen aus in die USA. In Amerika studierte Weizenbaum ab 1941
zunächst Mathematik an der Wayne State University in Detroit, Michigan.
Das Studium unterbrach er 1942 aufgrund seines Dienstes in der meteorologischen
Abteilung der US Army Air Forces im II. Weltkrieg.
1946 nahm er sein Studium wieder auf und
schloss es 1950 mit dem Master ab. Danach wurde er an der Fakultät
für Mathematik wissenschaftlicher Assistent beim Entwurf, Bau und Betrieb
eines Großrechners.
Von 1952 bis 1963 arbeitete Weizenbaum als
Systemingenieur im Computer Development Laboratory der General Electric
Corporation und war dort an der Konzeption des ersten Computer-Banksystems
beteiligt.
1963 begann er seine Tätigkeit am
MIT, zunächst als Associate Professor und ab 1970 als Professor
für Computer Science. Er arbeitete in der zweiten Hälfte der
1960er-Jahre am Aufbau des Arpanet, einem Vorläufer des Internets.
Das Computer-Programm ELIZA
Im Jahr 1966 veröffentlichte Weizenbaum das
Computer-Programm ELIZA, mit dem er die Verarbeitung natürlicher
Sprache durch einen Computer demonstrieren wollte. Eliza wurde als
Meilenstein der Künstlichen Intelligenz gefeiert, seine
Variante Doctor simulierte das Gespräch mit einem
Psychologen.
Heute gilt ELIZA als Prototyp
für moderne Chatbots. Es schien den Turing-Test zu bestehen, da viele
Benutzer nicht merkten, dass sie mit einer Maschine kommunizierten. Weizenbaum
war entsetzt, wie ernst viele Menschen dieses relativ einfache Programm nahmen,
indem sie im Dialog intimste Details von sich preisgaben.
Dabei war das Programm nie darauf hin
konzipiert, einen menschlichen Therapeuten zu ersetzen. Durch dieses
Schlüsselerlebnis wurde Weizenbaum zum Kritiker der
Computergläubigkeit. Seit dieser Zeit mahnte Weizenbaum den kritischen
Umgang mit Computern und die Verantwortung des Wissenschaftlers für sein
Tun an.
Besonders betonte er, die eigentliche
Entscheidungsgewalt müsse immer in menschlicher Hand bleiben, auch wenn
künstliche intelligente Systeme als Hilfsmittel zur
Informationsbeschaffung herangezogen werden.
Er war Mitbegründer der Computer
Professionals for Social Responsibility in den USA, Mitgründer und
später Beirat des Forum Informatiker für Frieden und
gesellschaftliche Verantwortung in Deutschland und Vorsitzender des
Wissenschaftlichen Rates am Institute of Electronic Business in Berlin.
So arbeitete er auch mit Informatikern der
Universität Bremen zusammen und hielt dort Gastvorlesungen.
Während seiner Zeit am MIT verweigerte
Weizenbaum die Mitarbeit an der Entwicklung von Waffen für den
Vietnamkrieg, engagierte sich als kritischer Aufklärer und beteiligte sich
an Demonstrationen.
Ab 1996 lebte Weizenbaum wieder in Berlin,
in der Nähe einer seiner Töchter, unweit der ehemaligen elterlichen
Wohnung. Mit seiner Ehefrau Ruth hatte er vier Töchter. Weizenbaum starb
2008 im Alter von 85 Jahren. |
Wer war Dr. Eliza ? |
Sie hieß Eliza, jene erste künstlich
intelligente virtuelle Psychotherapeutin, die Weizenbaum in den 1960er
Jahren schuf.
Sie war eine frühe Vorläuferin der
heutigen Chatbots und
konnte damals schon ein einfaches Therapiegespräch führen.
Auf Basis von Eingaben der Nutzer stellte
Eliza simple Rückfragen (Hilft dir unser Gespräch,
weniger unglücklich zu sein?).
Das erinnert tatsächlich schon an das,
wofür ChatGPT
heute, 60 Jahre später, gefeiert wird.
Es war aber nicht die Programmierung, die Weizenbaum
so berühmt gemacht hat.
Eliza war im Kontext der Erfindungen, die aus
Stanford kamen, eigentlich nichts Außergewöhnliches, erinnert
sich die Informatikerin Christiane Floyd, die damals in Stanford unterrichtete,
wo Weizenbaum ein Sabbatical machte und Eliza vorführte.
Es war nur ein Scherz. Weizenbaum wollte
aufzeigen, wie limitiert das Kommunikations- vermögen von Maschinen ist.
Doch die Menschen nahmen die Erfindung ernst
1975 entwarf der Publizist Carl Sagan auf Grundlage von Eliza sogar eine Vision
von der Zukunft der Therapie.
Weizenbaum selbst empfand die zunehmende
Abhängigkeit von Maschinen als problematisch, genauso wie die Sicht auf
Künstliche Intelligenz als Allheilmittel des gesellschaftlichen
Fortschritts.... |
Film "Weizenbaum. Rebel at Work"
Dokumentarfilm, Deutschland, USA,
Österreich, 2006, 80 Min., Buch und Regie: Peter Haas und Silvia
Holzinger.
Weizenbaum. Rebel at Work ist
ein Film über Joseph Weizenbaum, den Emigranten und Jahrhundertzeugen, den
Geschichten- und Witzeerzähler, den Grandfather Nerd der
Computerwissenschaften, der auch jenseits der Wissenschaft zu einer Kultfigur
avancierte.
Literatur
Alptraum Computer, Die Zeit Nr.
03/1972 vom 21. Januar 1972, S. 43
Wolfgang Kirkamm: Joseph Weizenbaum:
Ich bin doch nur ein Feigenblatt. In: Berliner Zeitung.
25. März 1995, abgerufen am 17. Juni 2015.
Vortrag in Osnabrück 1996 (Memento vom
8. April 2016 im Internet Archive) Interview mit Weizenbaum, SWR, April/Mai
2002 (englisch)
Täglicher Schrott in den
Medien, Interview von Ulrich Hottelet in politik-digital.de, 2007.
Wider den Zeitgeist,
Sonderausgabe zur FIfF-Kommunikation August 2007
Wir gegen die Gier,
Süddeutsche Zeitung, 8. Januar 2008.
Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei
könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies
machen. Philipp Sarasin: Schlecht gealtert. Joseph Weizenbaums Die
Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft (1976/78). In:
Zeithistorische Forschungen 19 (2022). |